Tag 18-21 - Goodbye Deutschland
- Anna Böllert
- 11. Aug.
- 3 Min. Lesezeit
Abends um halb 8
rollen wir sehr erschöpft die Straße entlang
und finden den Garten,
in dem wir in dieser Nacht nächtigen dürfen.
Es gibt verschiedene Webseiten und Communities,
wo Menschen ihre Gärten oder manchmal auch Gästezimmer für Wanderer oder Radfahrer
zur Verfügung stellen -
gerade in Städten wie Freiburg ein Geschenk,
weil es nicht viele Campinglätze gibt
und die Hotels teuer (oder nicht hundefreundlich) sind.
Das Haus ist schrullig, aber liebenswert, der Garten wild.
Der Boden ist übersät mit den überreifen Früchten der vielen Obstbäume,
in einem alten Wohnwagen wohnt noch jemand,
überall stapelt Holz und Zeug.
Es ist jedes Mal ein Erlebnis,
in einem fremden Garten zu übernachten,
ich mag den Kontakt zu neuen Menschen,
die Unkompliziertheit und das Abenteuer -
aber als ich an diesem Abend
beim Aufbau des Zelts hinter mir
wieder ein hohes Piepen höre
und eine Ratte mich anglotzt,
läuft es mir kalt über den Rücken.
Ich schlafe wenig und ärgere mich
über meine Pingeligkeit,
aber hier kann ich nicht
noch eine Nacht bleiben.
Am nächsten Morgen packen wir also,
Ein grauer, grollender Himmel über uns
und bei einem Bagel zum Frühstück
schmieden wir im nächsten Café Pläne.
Ich kontaktiere andere Gastgeber
und frage nach einem Übernachtungsplatz,
denn eine spontane Hotelnacht
würde 200€ kosten.
Gerade bricht ein Schauer über uns herein,
da antwortet mir Joscha:
Klar könnt ihr bei uns schlafen,
das Gästezimmer ist frei. Juhu!
Der Regen spült uns noch etwas
durch die Straßen,
wir sind zu müde,
um uns irgendwas anzusehen
und Joscha hat uns gebeten,
vor 18 Uhr da zu sein.
Wir trödeln also noch etwas herum
und machen uns dann auf den Weg.
Mein Handy hat nur noch 4% Akku, Ich präge mir den Weg ein und bereue,
dass ich es nicht früher geladen habe.
Es beginnt wieder zu regnen
und die Strecke zieht sich.
Nicht bei jeder Straße
ist der Name ersichtlich,
das macht die Orientierung schwer
und wir sind spät.
Hier müsste es irgendwo sein,
sage ich, wir stoppen,
Wes‘ Handy ist schon leer und als ich den Weg noch einmal kontrollieren will,
geht auch mein Handy aus.
Da stehen wir im Regen,
Diego fiept, weil er keine Lust mehr hat und nass wird,
und es ist einer dieser Momente, in denen man sich fragt:
Warum bin nicht nicht gerade in Italien?
Oder auf einer spanischen Insel?
Aber es hilft nichts,
wir müssen irgendwie den Weg finden.
Für die nächste Stadt, in der wir Pause machen,
buchen wir ein Hotel vorab,
schwören wir uns.
Ich sehe, das ein Haus eine Außensteckdose hat,
ich schnappe mir also mein Ladekabel,
klingele an der Tür und als mir eine freundliche Dame öffnet, frage ich:
„Entschuldigen Sie diese komische Anfrage,
aber dürfte ich vielleicht mein Handy
kurz bei Ihnen laden?“ -
Sie sieht Wes und Diego im Hintergrund und antwortet verdutzt: „Ja natürlich,
aber wollt ihr nicht erstmal reinkommen?
Ihr seid doch sicher die zwei Radfahrer mit Hund, die heute bei uns schlafen.“
Bei strömendem Regen
schieben wir die Räder in den Schuppen,
bekommen Tee und ein Zimmer
und schlafen das erste Mal
seit 17 Nächten
wieder in einem Bett. Herrlich!
Am nächsten Morgen
frühstücken wir noch gemeinsam,
dann brechen wir auf Richtung Frankreich.
Der Tag wird besser,
als die Vorhersage es vermuten lies,
ich fühle mich nach einer trockenen Nacht
in einem Bett wie neu geboren
und freue mich auf Frankreich.
Wir fahren lange durch einen Wald
und über Felder,
vor dem letzten Schauer fliehen wir
in Neu-Brisach in ein Café,
ich schreibe die restlichen Postkarten,
die ich noch habe
und dann fahren wir über den Rhein
nach Frankreich.
Einfach so - ich weiß offene Grenzen
unendlich zu schätzen,
seit der Brexit Wes und mir
das Zusammenleben so schwer macht.
Ich habe Freude daran zu beobachten,
wie sich der Länderwechsel
in kleinen Dingen zeigt.
Die Straßenschilder sehen etwas anders aus
und die Häuser,
Walnuss-und Mirabellenbäume säumen unseren Weg
und ständig läuft jemand
mit einem Baguette durchs Bild,
das aus der Tasche ragt.
Campingplätze sind so viel günstiger,
fällt mir auf
und nach einer Nacht in Neuf-Brisach
frühstücken wir in einer Boulangerie
und folgen 70km lang
einem Kanal bis nach Straßburg.
Der Weg ist flach,
meistens asphaltiert oder aus Schotter,
aber er zieht sich
und wir stoppen oft
für Brombeeren und Mirabellen
und noch saure Pflaumen und Äpfel.
Diego fährt viel im Anhänger
und wir erreichen Straßburg
erst spät am Abend,
auf gut ausgebauten Radwegen fahren wir durch die Stadt
und checken zum ersten Mal seit dem Beginn
unserer Reise wirklich in einem Hotel ein.
Als ich am nächsten Morgen mit Diego
die erste Runde drehe,
scheint die Sonne,
Menschen sitzen bei einem Espresso
draußen in Strassencafés
und ich habe nur ein T-Shirt an.
Das letzte Regenfoto, das ich gemacht habe,
zeigt nasses Kopfsteinpflaster in Freiburg
und endlich habe ich das Gefühl:
Der Sommer ist da!



























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