Tag 22-25 - Es wird warm
- Anna Böllert
- 18. Aug.
- 3 Min. Lesezeit
Als ich diesen Blogeintrag beginne,
frage ich Wes: Was hat dir
in Straßburg gefallen?
Die Architektur, sagt er,
und das Essen! Tarte flambée
und verrückte asiatische Cocktails,
die wir probiert haben.
Nur dem armen Diego
schlägt die Stadt irgendwie auf den Magen,
wir müssen nachts mehrmals mit ihm raus,
aber so lerne ich
den freundlichen Nachtportier kennen
und sehe die Stadt ganz menschenleer.
Als es ihm besser geht,
setzen wir unsere Tour
Richtung Nancy fort,
nächstes Ziel: Saverne.
Schön ist, wieder die meiste Zeit
an einem Kanal entlang zu radeln,
flach, keine Autos, tolle Landschaft -
nicht so schön ist, dass der Kanalweg
mehrmals gesperrt ist,
die Umleitung ist nicht verständlich,
wir irren über viel befahrene Straßen
und durch französische Vororte.
Am Ende kommen wir natürlich an,
in Saverne, und werden mit einem
großartigen Campingplatz mit
Hängematten und Streichelzoo belohnt.
Der nächste Tag
ist der erste wirklich heiße Tag,
wir suchen verzweifelt ein Eis,
aber entlang der Kanäle
gibt es nur kleine Dörfer ohne Läden,
Mirabellenbäume
und schließlich wenigstens
eine Boulangerie,
die uns süße Törtchen verkauft.
Der Weg zu unserem nächsten Campingplatz, mitten im Nirgendwo,
ist von verwunschener Schönheit:
Wir folgen einem verlassenen Kanal,
der kein Wasser mehr führt,
dafür grün überwuchert ist
und dessen leere Häuser am Wegesrand
die Geschichte vergangener Tage erzählen.
Wir kampieren diese Nacht
an einem See,
Wes und Diego springen gleich hinein
und später steht ein weißer Vollmond
über unserem Zelt.
Am nächsten Morgen ist es so heiß,
dass wir Diego zum ersten Mal
seine Schuhe anziehen,
damit er sich seine Pfoten nicht
auf dem Asphalt verbrennt,
er ist nicht begeistert.
Wir wollen es heute bis Nancy schaffen,
ziehen Diego viel im Anhänger
und fahren endlose Schotterstraßen
bei sengender Hitze
zwischen Feldern entlang.
Als es Abend wird,
haben wir noch 20km vor uns,
wir stoppen in einem kleinen Ort
namens Dombasle-sur-Meurthe
und suchen nach einem Supermarkt
oder einem Restaurant,
Hauptsache Essen und Schatten und Pause.
Es ist immer noch so heiß,
dass wir nicht so recht wissen,
wohin mit uns,
und der Ort hat eine eigenartige,
trostlose Stimmung.
Leere Geschäfte, zerschlagene Fenster,
keine Bäume oder Kunst,
nur Asphalt und Autos,
verblasste Werbetafeln und staubige Luft.
Ich bestaune die Kirche,
man sieht sie schon von Weitem
und der engagierte Kirchenhüter
gibt mir eine komplette Tour
auf Französisch,
obwohl ich kein Wort verstehe.
Später finden wir eine Bar,
die einzige, die geöffnet ist,
Wes geht vor und fragt
mit seinen letzten drei Sätzen Schulfranzösisch,
ob Hunde erlaubt sind,
im Aussenbereich sitzen schon zwei.
Die Wirtin steckt den Kopf aus der Tür,
mustert Diego und schüttelt dann
energisch den Kopf.
Nein, dieser Hund nicht.
Wir fahren also weiter,
in den nächsten Ort,
und finden ein italienisches Restaurant.
Wieder fragt Wes, ob Hunde erlaubt sind,
zeigt auf Diego,
ich stehe mit ihm und den Fahrrädern
im Hintergrund.
Wieder steckt eine Kellnerin
den Kopf aus der Tür
und macht dann eine abwehrende Geste.
No, No.
Wes deutet auf die Terrasse,
vielleicht draußen?
Sie lehnt vehement ab,
zeigt auf den Parkplatz,
sagt viel auf Französisch,
ich verstehe es nicht,
Diego soll auf dem Parkplatz warten?
Dort können wir ihn nirgends anbinden, irgendwie klappt die Kommunikation nicht.
Das merkt die Kellnerin auch,
sie holt ihr Handy, tippt etwas in eine Übersetzungsapp und zeigt uns dann:
„Die Fahrräder könnt ihr auf dem Parkplatz parken, nicht im Restaurant.“
Wes gibt ein: „Und der Hund?“ und sie lacht,
„Pas de problème“, Hunde sind erlaubt.
Ich weiß nicht, wie viele Fahrradfahrer schon versucht haben,
ihre leichten, teuren Carbon Räder
mit ins Restaurant zu nehmen,
wir lassen unsere schwer bepackten Räder
gerne draußen stehen
und setzen uns mit Diego auf die Terrasse,
er schläft sofort ein.
Wir bestellen eine Pizza und Tiramisu
und ich bin mir sicher,
das ist die beste Pizza,
die ich je gegessen habe.
Wir beschließen,
heute nicht mehr weiter zu fahren.
Die Nacht verbringen wir also
auf einem Feld etwas außerhalb des Ortes,
sagt‘s nicht weiter.
Am nächsten Morgen
weckt uns die aufgehende Sonne,
wir packen zusammen,
holen uns ein Pain au Chocolat
und radeln die letzten 20km bis Nancy.



































Liebe Anna Böllert,
bisher habe ich auf Ihre Reiseberichte nie reagiert. Aber jetzt will ich Ihnen doch mal schreiben, wie gerne ich Ihre Texte lese. Ich freue mich nach jedem auf den nächsten.
Herzlichst
Christoph Lütgerz